„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*6.9.1908 (Leipzig) | † 12.6.1952 (Moskau (Gefängnis Butyrskaja))

Gerhard Dietze

Gerhard Dietze, Passfotografie, undatiert, ZA FSB

Wegen Flugblattverteilung und angeblicher Spionage in Moskau erschossen


Gerhard Dietze wuchs als Sohn des Lokomotivführers Emil Dietze und der Hausfrau Klara, geborene Wilke, mit seinen beiden Geschwistern in Leipzig auf. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er eine Ausbildung zum Rechtsanwaltsgehilfen und war in einigen Kanzleien sowie als Verwaltungsangestellter in Leipzig tätig. Seit dem 16. April 1932 war er Mitglied der NSDAP. In der SA bekleidete er den Rang eines Oberscharführers. Im August 1935 fahndete die SA-Brigade 35 Leipzig nach ihm. Er wurde wegen Dienstinteresselosigkeit und Veruntreuung gesucht. Nach eigenen Angaben wurde er am 8. August 1935 wegen Nichteinhaltung der Parteidisziplin aus der NSDAP ausgeschlossen. In einem Verfahren wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber Minderjährigen (§ 170/171 StGB) wurde er zu einer fünfmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, die er im Amtsgerichtsgefängnis Borna verbüßte. Aufgrund einer körperlichen Behinderung diente er nicht im Zweiten Weltkrieg. Er arbeitete unter anderem als kaufmännischer Angestellter, Eisenwarenhändler, Angestellter der Tauchaer Stadtverwaltung und Abteilungsleiter der Mitteldeutschen Motorenwerke in Taucha.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wirkte er beim Wiederaufbau des Braunkohlen- und Großkraftwerkes Böhlen mit, das 1946 auf Befehl der SMAD enteignet und in eine Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) umgewandelt wurde. Als sogenannter „Redlerwärter“ arbeitete er in der dort angegliederten Brikettfabrik. Gerhard Dietze war verheiratet und Vater von zwei Kindern. Einer Partei gehörte er nicht an.

Am 10. September 1951 wurde Gerhard Dietze in seiner Wohnung durch Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit (MfS) verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis der sowjetischen Geheimpolizei in Leipzig überführt. Nach fünf Monaten Untersuchungshaft in Leipzig und im Untersuchungsgefängnis der sowjetischen Geheimpolizei auf der Bautzner Straße in Dresden verurteilte das Militärtribunal der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (Feldpostnummer 48240) Gerhard Dietze dort am 14. Februar 1952 gemeinsam mit vier weiteren Angeklagten auf der Grundlage der Artikel 58-6, Abschnitt 1, Artikel 58-10, Abschnitt 2 und Artikel 58-11 des StGB der RSFSR zum Tod durch Erschießen. Der Mitangeklagte Werner Haßloch wurde ebenfalls zum Tode verurteilt.

Laut Urteil wurde Gerhard Dietze vorgeworfen, im November 1950 einer angeblich von seinem Arbeitskollegen Werner Haßloch gegründeten Untergrundgruppe beigetreten zu sein. Letzterer stand nach eigenen Angaben gegenüber der DDR-Staatssicherheit seit Januar 1951 in Kontakt zur Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU). Haßloch erhielt den Decknamen „Jahn“, Dietze, der im Februar 1951 zusammen mit Haßloch zur KgU nach West-Berlin fuhr, nannte sich „Lessing“ oder „Herder“.

In seinem Gnadengesuch vom 15. Februar 1952 schrieb Gerhard Dietze, dass er aus Unzufriedenheit mit der politischen Entwicklung in der DDR antikommunistische Handzettel verteilt und dem mitverurteilten Buchdrucker Horst Bennewitz ein von Haßloch selbst entworfenes Flugblatt zur Vervielfältigung gegeben habe. Außerdem habe er Erkundigungen zu einer Übung der Volkspolizei und zu einer Kaserne der sowjetischen Truppen in Leipzig eingeholt und weitergegeben. Diese Informationen seien öffentlich zugänglich und nicht geheim gewesen.

Das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR lehnte seine Begnadigung am 7. Juni 1952 ab. Das Todesurteil wurde am 12. Juni 1952 im Butyrka-Gefängnis in Moskau vollstreckt. Ein Massengrab auf dem Friedhof Donskoje in Moskau wurde zur letzten Ruhestätte.

Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitierte Gerhard Dietze am 25. Januar 1996 als Opfer politischer Repressionen.

Weitere Dokumente

Hinweis: Für eine weitergehende Nutzung, zum Beispiel für eine Veröffentlichung, bedarf es der Zustimmung der Dokumentationsstelle Dresden. Bitte kontaktieren Sie uns dazu.

Quellen

  • BArch Berlin, DP 1/30326, DO 1/15808, DO 1/15809, DO 1/15835
  • BArch Berlin, R 9361-VIII KARTEI/6300752
  • BArch, MfS, AP 9260/66
  • RGWA, f. 461, d. 196853
  • Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 7523, op. 76a, d. 93

Veröffentlichungen

  • "Erschossen in Moskau ..." Die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donskoje 1950-1953, hrsg. von Arsenij Roginskij, Frank Drauschke und Anna Kaminsky, 3. Auflage, Berlin 2008, S. 158