„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*20.2.1886 (Magdeburg) | † 6.4.1952 (Bautzen I)

Gustav Palis

Fotografie der amerikanischen Truppen vom Tatort Isenschnibber Feldscheune Gardelegen, National Archives/Commons Wikimedia
Gustav Palis, Fotografie von der Haftkarteikarte Bautzen, Bundesarchiv

Verurteilt wegen der Beteiligung an der Erschießung von KZ-Häftlingen bei Gardelegen


Der gebürtige Magdeburger Gustav Palis, der 1900 eine Ausbildung zum Kaufmann beendet hatte, trat 1906 in das deutsche Heer ein. Während des Ersten Weltkrieges diente er als Feldwebel beim Stab der zweiten Infanteriedivision in Frankreich.

Von 1937 bis 1944 arbeitete Palis, der seit Januar 1940 NSDAP-Mitglied war, als Lohnbuchhalter in der Wehrmacht-Standortverwaltung Gardelegen. Ab Juni 1944 bis April 1945 war er in der Registratur der Stadt für die zur Wehrmacht Einberufenen tätig. Palis war verheiratet, hatte zwei Kinder und wohnte in Gardelegen.

Am 13. April 1945 wurden 1016 Häftlinge verschiedener KZ-Außenlager, die sich nach deren Evakuierung auf einem Todesmarsch befanden, auf Anweisung des Gardelegener NSDAP-Kreisleiters Gerhard Thiele in der Isenschnibber Feldscheune bei Gardelegen auf grausame Weise ermordet. Die Opfer, von denen später nur ein Drittel namentlich identifiziert werden konnten, stammten aus Polen, der Sowjetunion, Frankreich, Ungarn, Belgien, Deutschland, Italien, der Tschechoslowakei, Jugoslawien, den Niederlanden, Spanien und Mexiko. An dem Massaker und der anschließenden versuchten Beseitigung der Spuren beteiligten sich NSDAP-Funktionäre, SA-Männer, Mitglieder der SS und Waffen-SS, Soldaten der Luftwaffe und der örtlichen Kavallerieschule, Angehörige einer Fallschirmjägereinheit, Polizeikräfte, Angehörige der Hitlerjugend, Volkssturmmänner, Angehörige des Reichsarbeitsdienstes, Angehörige des Technischen Notdienstes und der Feuerwehr sowie Funktionshäftlinge (Kapos) unter den KZ-Gefangenen.

Gustav Palis, Kompaniefeldwebel des Gardelegener Volkssturms, wurde am Morgen des 14. April 1945 zum Tatort befohlen, um die toten Häftlinge zu begraben. Dabei stießen er und die von ihm mitgebrachten 60 bis 70 Volkssturmmänner auf schwerverletzte Überlebende, von denen Palis einen eigenhändig erschoss.

Am 17. April 1945 verhafteten Angehörige der amerikanischen Truppen, die am 15. April den Ort des Geschehens entdeckt hatten, Gustav Palis in Gardelegen. Am 28. April verhörten sie ihn. Später übergaben sie ihn an die sowjetische Besatzungsmacht. Zusammen mit anderen Verdächtigen wurde er nach Dresden gebracht und dort im Sommer 1946 von Angehörigen der sowjetischen Sicherheitsorgane vernommen.

Am 28. März 1947, fast zwei Jahre nach dem Massenmord, verurteilte das Militärtribunal der sowjetischen Militäradministration des Landes Sachsen Gustav Palis in Dresden wegen seiner Beteiligung an der Erschießung der KZ-Häftlinge nach Art. 58-2 StGB der RSFSR zu zehn Jahren Freiheitsentzug in einem „Besserungsarbeitslager“. Mitverurteilte waren Arno Brake, Wilhelm Biermann, Hermann Hohls, Kazimierz Drygalski, Franz Unverdorben und Adolf Pinnenkämper.

Nach der Verurteilung wurde Palis in das Speziallager Sachsenhausen verlegt und von dort nach dessen Auflösung in die DDR-Strafvollzugsanstalt Torgau. Später kam er in die Strafvollzugsanstalt Bautzen. Dort verstarb er am 6. April 1952 im Alter von 66 Jahren an einer Lungenentzündung.

Am 25. August 2000 stellte das 3. Bezirksmilitärgericht der Russischen Föderation fest, dass Gustav Palis nicht der Rehabilitierung unterliegt. Das Urteil wurde von Art. 58-2 StGB der RSFSR nach Kontrollratsgesetz Nr. 10, Artikel II, Ziffer 1c umqualifiziert.

Weitere Dokumente

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Quellen

  • 3. Bezirksmilitärgericht, Beschluss Nr. 172
  • BArch, MfS, MfS Abt. XII/RF/223
  • BArch, MfS, MfS HA IX/11 RHE 22-71-SU
  • Justizvollzugsanstalt Bautzen, 4383/50
  • Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 9409, op. 1, d.458

Veröffentlichungen

  • Aussage vor amerikanischem Ermittlungsoffizier Das KZ Auschwitz 1942-1945 und die Zeit der Todesmärsche 1944/45, 2018, Dok. 239, S. 745f