*6.3.1920 (Dresden) | † 1.3.2015
Heinz Lorenz
Die Aufbewahrung eines pronazistischen Kettenbriefs wurde ihm zum Verhängnis
Im Oktober 1942 wurde der 22-jährige gelernte Gutsverwalter Heinz Lorenz schwer verwundet aus der Wehrmacht entlassen. Nach einer Umschulung nahm er im November 1942 eine Beschäftigung im Wohlfahrts- und Jugendamt der Stadt Leisnig auf. Im Juli 1943 zum Reichsarbeitsdienst (RAD) einberufen, geriet er im Mai 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Ende Juli 1945 wurde er entlassen und kehrte nach Leisnig zu seiner Familie zurück.
Seine mehrfachen Gesuche auf Wiedereinstellung bei der Stadtverwaltung wurden zunächst abgelehnt, da er zeitweise Mitglied der NSDAP gewesen war. Zum 1. November 1946 wurde er schließlich doch erneut im Wohlfahrtsamt angestellt, da er als Schwerkriegsbeschädigter galt. Am 20. Februar 1947 stellte die Entnazifizierungskommission des Kreises Döbeln fest, dass gegen eine Weiterbeschäftigung keine Bedenken bestehen. Am 10. November 1947 wurde Heinz Lorenz, der inzwischen Mitglied der SED war, zur Schulung in der Kreisparteischule vorgeschlagen.
Am 13. April 1948 wurde der inzwischen zweifache Vater aus einer Besprechung in der Stadtverwaltung heraus von Angehörigen der sowjetischen Sicherheitsorgane verhaftet und nach Leipzig überführt. Bei der Leibesvisitation fand man bei ihm einen pronazistischen Kettenbrief, der zum Widerstand gegen die sowjetische Besatzung aufrief. Heinz Lorenz wurde nun vorgeworfen, Kopf einer illegalen Organisation zu sein. Die Namen der vermeintlichen anderen Mitglieder versuchten die Vernehmer mit Gewalt von ihm zu erpressen. Am 8. Mai 1948 wurde er von Leipzig nach Dresden in das Untersuchungsgefängnis am Münchner Platz überstellt. Dort wurden die Verhöre fortgesetzt. Auch seine Ehefrau und Arbeitskollegen wurden nach Dresden vorgeladen und vernommen.
Am 15. Juni 1948 verurteilte das Militärtribunal der sowjetischen Militäradministration des Landes Sachsen Heinz Lorenz am Münchner Platz wegen Aufbewahrung und Verbreitung eines Flugblattes antisowjetischen Inhalts nach Artikel 58-10 Abschnitt 2 StGB der RSFSR zu zehn Jahren „Besserungsarbeitslager“. Die Strafe verbüßte er in den sowjetischen Speziallagern Bautzen und Sachsenhausen sowie nach deren Auflösung in den DDR-Strafvollzugsanstalten Untermaßfeld, Ichtershausen, Brandenburg-Görden und Waldheim. In Sachsenhausen durfte er zum ersten Mal nach der Verhaftung brieflichen Kontakt zu seiner Familie aufnehmen. Bedingt durch jahrelange Mangelernährung und fehlende Hygiene erkrankte Heinz Lorenz an Lungen- und Darmtuberkulose. Erst in der DDR-Haft war es möglich Pakete zu empfangen, die überlebenswichtige zusätzliche Verpflegung enthielten. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich trotzdem und 1953 wurde er in der DDR-Strafvollzugsanstalt Waldheim operiert.
Durch Gnadenerlass wurde Heinz-Günter Lorenz am 16. Januar 1954 nach Leisnig entlassen. Seine Söhne, die bei der Verhaftung knapp drei und sechs Jahre alt gewesen waren, erkannten ihn nach der fast sechsjährigen Trennung zunächst nicht. Bald danach flüchtete er mit seiner Familie in die Bundesrepublik, denn wegen seiner Haft hatte er keine Chance auf eine baldige Wiedereinstellung bei der Stadtverwaltung.
Das Ansehen von Heinz Lorenz wurde mit dem russischen Gesetz über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen wiederhergestellt. Es sieht vor, dass alle wegen antisowjetischer Agitation und Propaganda Verurteilten unabhängig vom Einzelfall als rehabilitiert gelten.
Weitere Dokumente
- Am 21. Mai 1948 teilt der Bürgermeister der Stadt Leisnig der Ehefrau von Heinz-Günther Lorenz die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 1. Juni 1948 mit. Personalakte, Stadtarchiv Leisnig
- Heinz-Günther Lorenz, Rehabilitierungsbescheid, Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 15. August 1995
- Urteil des Militärtribunals der SMA für das Land Sachsen gegen Heinz-Günther Lorenz, Dresden, 15. Juni 1948, Zentralarchiv des FSB
Quellen
- BArch Berlin, DO1/32.0/39739Jan54; DO1/32.0/397
- Staatsarchiv Leipzig (SächsStA-L), 20036 Zuchthaus Waldheim, Gefangenenkartei
Veröffentlichungen
- Broschüre des Projektes "Schicksale Sachsenhausener SMT-Verurteilter in Untermaßfeld 1950-54", Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945-50 e.V., 2016, S. 63
- VOS e.V., Archiv, Freiheitsglocke 06/2013, 728, S. 10ff