„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*5.2.1923 (Leisnig) | † 4.2.2020 (Lüneburg)

Wolfgang Weinoldt

Wolfgang Weinoldt, Porträtfotografie, Universitätsarchiv Leipzig (UAL), FS N04280

15 Jahre „Besserungsarbeitslager“ für angebliche „Spionageabsicht“


Wolfgang Weinoldt legte 1941 sein Abitur in Leipzig ab und wurde kurz darauf zur Wehrmacht eingezogen. Das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte er in amerikanischer Kriegsgefangenschaft, aus der er 1945 nach Leipzig zurückkehrte. Im Februar 1946 begann er an der dortigen Universität ein Jurastudium und trat der CDU bei. Er begründete die Hochschulgruppe der CDU an der Universität Leipzig und war außerdem Referent im Referat Politik der Arbeitsgemeinschaft demokratischer Studenten (AdS).

Von Beginn seiner politischen Tätigkeit an versuchte Weinoldt den wachsenden Einfluss der SED auf die Universitätspolitik abzuwenden, die in ihm Besorgnis erregte. So setzte er sich aktiv für den Rektor Hans-Georg Gadamer ein, dessen Rücktritt SED-Funktionäre erzwingen wollten. Aus Protest gegen Maßnahmen, die die SED mittels der AdS an der Universität Leipzig durchsetzte, traten er und zwei weitere CDU-Mitglieder aus dieser aus.

Im Sommer 1947 trat Werner Ihmels, den Weinoldt seit Jugendjahren kannte und mit dem er gemeinsam über die CDU in der Hochschulpolitik kooperierte, an diesen heran. Aufgrund der prekären Wirtschafts- und Versorgungslage in der SBZ waren sich beide schnell einig, dass etwas gegen die hiesigen Demontagemaßnahmen der SMAD getan werden müsse. Da Ihmels die Zulassung für die Fortsetzung seines Theologiestudiums in Tübingen hatte, sollte Weinoldt ihm über einen Mittelsmann Informationen zu den Demontagen in die Bundesrepublik übermitteln, sobald Ihmels dort sei.

Das Vorhaben wurde jedoch vom ebenfalls eingeweihten liberalen Jugendfunktionär Manfred Gerlach, dem späteren LDPD-Vorsitzenden und letzten Staatsratsvorsitzenden der DDR, an die sowjetischen Besatzungsbehörden verraten. Obwohl es zu keiner Informationsweitergabe kam, verhaftete die sowjetische Geheimpolizei Weinoldt am 16. September 1947 und brachte ihn zunächst in das sowjetische Untersuchungsgefängnis in der Leipziger Elisenstraße. Drei Tage später wurde er in die sowjetische Untersuchungshaftanstalt am Münchner Platz in Dresden überführt.

Am 2. Dezember 1947 sprach das SMT des Landes Sachsen ihn und die Mitangeklagten Ihmels und Horst Krüger dort auf Grundlage des Artikels 58-6, Abschnitt 1 (Spionage) und des Artikels 58-11 (Bildung einer illegalen Organisation) des StGB der RSFSR schuldig. Da ihm auch das sowjetische Militärgericht nur die Absicht der Spionage nachweisen konnte, erhielt Weinoldt 15 Jahre Haft in einem „Besserungsarbeitslager“, während Ihmels und Krüger wegen angeblicher Spionage für den amerikanischen Geheimdienst 25 Jahre als Strafmaß erhielten.

Die drei Verurteilten kamen zunächst am 1. April 1948 gemeinsam in das sowjetische Speziallager Bautzen und konnten dort lange Phasen der Haft zusammen verbringen. Ungefähr zu Pfingsten 1949 wurde Weinoldt aufgrund seines geringeren Strafmaßes von Ihmels und Krüger getrennt und in das Speziallager Sachsenhausen verlegt. Im Februar 1950 kam er in die DDR-Strafvollzugsanstalt Untermaßfeld und später in die DDR-Strafvollzugsanstalt Brandenburg-Görden. Aus dieser wurde er am 16. Januar 1954 entlassen.

Kurz nach seiner Entlassung besuchte Weinoldt seinen früheren Mitangeklagten Krüger. Beide pflegten lange Jahre den gegenseitigen Kontakt. Ihmels war kurz nach Weinoldts Verlegung aus Bautzen an Tuberkulose verstorben. Zunächst wollte Weinoldt in der DDR sein Jurastudium fortsetzen. Nachdem ihm die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens deutlich wurde, siedelte er in die Bundesrepublik über, wo er in Göttingen sein Studium abschloss. Bis 1998 war er als Sozialrichter in Lüneburg tätig. 2001 wurde Weinoldt der Ehrentitel Dr. jur. h. c. der Universität Leipzig verliehen.

Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitierte Wolfgang Weinoldt am 5. April 1995 als Opfer politischer Repressionen.

Weitere Dokumente

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Quellen

  • BArch Berlin, DO1/32.0/39739; DO1/32.0/397
  • Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, K-512387
  • Justizvollzugsanstalt Brandenburg, 3420/Br.
  • Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 9409, op. 1, d. 197, Liste 5, Nr. 064; f. 9409, op. 1, d. 458
  • Universitätsarchiv Leipzig (UAL), FS N04280

Veröffentlichungen

  • Dr. Klaus-Dieter Müller, Annäherungen an einen unbekannten Haftort. Der Münchner Platz als Haft- und Gerichtsort der sowjetischen Geheimpolizei 1945-1950, in Norbert Haase / Birgit Sack (Hrsg.), Münchner Platz, Dresden. Die Strafjustiz der Diktaturen und der historische Ort, 2001, S. 172-198
  • Nachruf von Gerald Wiemers, Der Stacheldraht, UOKG e.V., Ausgabe Nr. 2/2020, S. 15