Dubrawlag (Jawas/Potma)
Das Dubrawlag wurde im Februar 1948 auf dem Gelände des Besserungsarbeitslagers Temnikowski in der Mordwinischen ASSR, 450 km südöstlich von Moskau, errichtet. Die Lagerverwaltung des Komplexes befand sich in der Siedlung Jawas. Im Lager waren gleichzeitig bis zu fast 26 000 Menschen inhaftiert. Die Häftlinge wurden in verschiedenen Betrieben des GULAG-Industriekombinats Temnikowski, bei der Herstellung von Baumaterialien und bei landwirtschaftlichen Arbeiten eingesetzt.
Geschichte und Vorgeschichte
Temlag, Speziallager Nr. 58
Die Geschichte des Lagerkomplexes beginnt in den 1930er-Jahren: 1931 beschloss die Führung des NKWD der UdSSR, ein Lagersystem in Mordowien auf dem Gebiet der Bezirke Subowo-Poljanski und Temnikowski zu errichten. Der Komplex erhielt wegen seiner Nähe zur Stadt Temnikow den Namen Temlag. Es wurden drei Abteilungen eingerichtet: bei Potma, Jawas und Baraschewo. Die Häftlinge waren hauptsächlich in der Holzbeschaffung beschäftigt und versorgten unter anderem die Stadt Moskau mit Brennholz.
Zu Beginn des Deutsch-Sowjetischen Krieges wurde im Temlag das Speziallager Nr. 58 für Kriegsgefangene eingerichtet, das dem Volkskommissariat für Verteidigung (NKO) und dem Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (NKWD) unterstellt war. In den ersten Nachkriegsjahren befand sich eine beträchtliche Anzahl von Kriegsgefangenen im Temlag und im späteren Dubrawlag.
Das Temlag wurde 1948 im Rahmen einer Umstrukturierung geschlossen, um den Bau des neuen Sonderlagers zu beschleunigen.
Sonderlager Nr. 3 – Dubrawlag
Die Errichtung des Sonderlagers Nr. 3 für 20 000 Häftlinge wurde am 28. Februar 1948 auf der Grundlage des Erlasses Nr. 00219 des Innenministeriums MWD vom 21. Februar 1948 beschlossen. Es sollte auf dem Gelände des Besserungsarbeitslagers Temnikowski (ITL) und der Kinderkolonie Temnikowski errichtet werden. Aus diesem Grund wurde am 12. Juli 1948 die Auflösung des Lagers Temnikowski angeordnet und bis zum 12. Oktober 1948 umgesetzt.
Die erste Ausbaustufe für 5 000 Häftlinge sollte bis zum 1. Mai 1948 einsatzbereit sein, die zweite Stufe für 7 500 Häftlinge bis zum 1. Juni 1948 und die dritte Stufe für 7 500 Häftlinge bis zum 1. August 1948.
Am 10./11. Mai 1948 erhielt das Lager Nr. 3 auf Befehl des Innenministers der UdSSR den Namen „Dubrawny-Lager des Innenministeriums“ und die Postadresse „Siedlung Jawas, Bezirk Subowo-Poljanski, Mordwinische ASSR“. Dort befand sich die Verwaltung des Lagers. Der Name Dubrawlag oder Dubrawny Lager heißt wörtlich Eichenhainlager. Dieser Lagerkomplex in Mordowien trug auch den inoffiziellen Namen „die Potma-Lager“ („Потьминские лагеря“) – nach dem Namen der Siedlung Potma, in dem sich eine Durchgangsstation für die weitere Zuteilung in die verschiedenen Außenlager befand.
Im Jahre 1954 wurde Dubrawlag, wie die anderen Sonderlager auch, in ein reguläres Besserungsarbeitslager umgewandelt. Es gibt keine eindeutigen Angaben über den Zeitpunkt der Auflösung des Lagers, laut einigen Quellen war es am 1. Januar 1960 noch in Betrieb. Laut anderen Quellen entstand in den 1960er-Jahren auf der Grundlage des Lagers die „Anstalt ZhH-385“ im System der Strafarbeitskolonien. Inoffiziell blieb die Bezeichnung Dubrawlag weiter in Gebrauch. Im Januar 2005 wurden die „Anstalt ZhH-385“ und die Strafvollzugsabteilung der Republik Mordowien zur Abteilung des Föderalen Strafvollzugsdienstes der Republik Mordowien zusammengelegt. Gegenwärtig gibt es im Subowo-Poljanski Bezirk 15 Strafkolonien. Davon ist die Strafkolonie IK-22 die einzige in Russland, in der ausländische Staatsbürger ihre Strafe verbüßen.
Insassen – Verhaftungsgründe
Während des Zweiten Weltkrieges nahm das Lager (damals Temlag) eine große Anzahl von Kriegsgefangenen auf. Viele kamen nach der Schlacht von Stalingrad 1942–1943. Nach dem Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19. April 1943 wurden alle nach diesem Erlass Verurteilten nach Temlag geschickt. Laut dem Erlass wurde „für die deutsch-faschistischen Übeltäter, die der Tötung und Misshandlung sowjetischer Zivilbevölkerung und gefangener Rotarmisten schuldig sind, sowie für Spione und Vaterlandsverräter unter den Sowjetbürgern und deren Helfer“ die Strafe der Verbannung zu schwerer Arbeit eingeführt.
Im Jahre 1944 kamen französische Gefangene nach Temlag, die vor allem aus Elsass–Lothringen stammten (Malgré-nous). Sie waren nach 1942 gegen ihren Willen in die deutsche Wehrmacht rekrutiert worden. Spanische Kriegsgefangene wurden am Ende des Krieges nach Temlag verlegt. Es handelte sich hauptsächlich um Angehörige der „Blauen Division“, die in der Nähe von Leningrad gefangen genommen worden waren.
Zum 30. August 1945 waren 10 716 Kriegsgefangene und Internierte, darunter 3 000 Offiziere, im Speziallager Nr. 58 im Temlag untergebracht. Sie waren nicht nur im Lager, sondern auch in Lagern in nahe gelegenen Siedlungen untergebracht. Nach dem Krieg wurden sie entweder nach Hause geschickt oder weiter in den Ural und nach Sibirien verlegt. In Potma gab es ein Repatriierungslager für ausländische Kriegsgefangene.
Während im Temlag sowohl kriminelle als auch politische Häftlinge untergebracht waren, war das auf seiner Grundlage organisierte Sonderlager Dubrawny hauptsächlich für politische Gefangene bestimmt. Hier sollten „Spione, Saboteure, Terroristen, Trotzkisten, Rechtsradikale, Menschewiki, Sozialrevolutionäre, Anarchisten, Nationalisten, weiße Emigranten und Teilnehmer an anderen antisowjetischen Organisationen und Gruppen sowie Personen, die wegen ihrer antisowjetischen Verbindungen und feindlichen Aktivitäten gefährlich waren“ ihre Strafe verbüßen. Häftlinge dieser Kategorien, die ihre Strafe in den allgemeinen Strafvollzugslagern verbüßt hatten, wurden nach Dubrawlag verlegt. Da die Häftlinge hauptsächlich für schwere körperliche Arbeiten eingesetzt werden sollten, waren Schwerkranke, Todkranke und hilflose Behinderte davon ausgenommen. Die Einweisung erfolgte aufgrund einer Verfügung der MGB-Organe. Die Anwendung von Strafminderungsrechten auf die Häftlinge war im Dubrawlag verboten.
Zum 1. Januar 1949 waren die meisten Häftlinge wegen Hochverrats verurteilt worden, danach folgten diejenigen, die angeblich an antisowjetischen Verschwörungen beteiligt waren, und diejenigen, die wegen antisowjetischer Agitation verurteilt wurden. Bis zum 1. Januar 1951 stieg die Zahl der wegen Hochverrats und antisowjetischer Agitation Verurteilten, während die Zahl der Kriminellen weiter abnahm.
In den Jahren 1961 bis 1972 waren die Strafarbeitskolonien in Mordowien neben den Gefängnissen in Wladimir und Tschistopol die wichtigsten Haftanstalten in der UdSSR, in die Verurteilte wegen „besonders gefährlicher Staatsverbrechen“ verbracht wurden.
Insassenzahlen
Zum Zeitpunkt der Gründung vom Sonderlager Nr. 3 (Dubrawlag) übernahm die Verwaltung zum 1. August 1948 13 877 Häftlinge – 9 586 Männer und 4 371 Frauen – aus der Liquidationskommission vom Temlag. In der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre bis Anfang der 1950er-Jahre stieg die Zahl der Dubrawlag-Häftlinge deutlich an. Am 1. Januar 1949 gab es 23 273 Personen im Dubrawlag, am 1. Januar 1950 – 23 532, am 1. Januar 1951 – 23 541, am 1. Januar 1952 – 25 616 Personen. Im Dezember 1952 gab es 20 680 Häftlinge, von denen 5 574 zu 25 Jahren, 313 zu 20 Jahren, 531 zu 11 bis 15 Jahren, 13 833 zu sechs bis zehn Jahren und 274 zu fünf Jahren einschließlich verurteilt wurden. 155 Personen hatten ihre Strafe bereits verbüßt, wurden aber als alte oder kranke, „besonders gefährliche Staatsverbrecher“ weiterhin im Lager unter Aufsicht der MGB-Organe in speziellen Heimen für Behinderte untergebracht. Rechtliche Grundlage dafür war eine Anordnung des Innenministeriums der UdSSR, des MGB der UdSSR und des Generalstaatsanwalts der UdSSR vom 6. November 1951.
Mit dem Regimewechsel und der Umstrukturierung des Lagers änderte sich auch die Zahl der Häftlinge. Zum ersten Januar 1954 gab es hier 16 980 Häftlinge, 1955 – 12 257, 1956 – 8 313.
Zwangsarbeit
Die Häftlinge des Dubrawlag wurden in den Objekten des Temnikowski-Industriekombinats der Hauptverwaltung der Lager (GULAG) des MWD eingesetzt. Dazu zählten beispielsweise die Bekleidungsfabriken Nr. 1, 3, 6, 14 in Jawas, das Werk Nr. 18 für die Herstellung von Lotto und Dominosteinen in Jawas sowie die Holzbearbeitungswerke Nr. 4, 5, 7, 11. Außerdem wurden die Häftlinge zur Herstellung von Baumaterialien, wie Ziegel, Fliesen, Kalk und Bruchsteine, herangezogen. Sie wurden auch bei der Instandhaltung der Eisenbahnstrecke des Industriekombinats und bei der Energieerzeugung eingesetzt sowie in der Bau- und Montageverwaltung des Baukombinats Mordow-Trest-Stroi des Bauministeriums der UdSSR. Darüber hinaus wurde die Arbeitskraft der Häftlinge bei Bauarbeiten, in der Holzgewinnung, bei der Torfgewinnung, bei landwirtschaftlichen Arbeiten, in den zentralen Reparaturwerkstätten sowie in der holzchemischen Produktion bei der Harzgewinnung eingesetzt.
Lokales Gedenken
In der Nähe der Molotschniza-Siedlung wurden über dem Gemeinschaftsgrab der Kriegsgefangenen des Temnikowski Speziallagers Nr. 58 zwei Gedenktafeln für italienische und ungarische Kriegsgefangene angebracht. Die Inschriften sind auf Russisch und in der jeweiligen Landessprache verfasst: „Für Italiener, die in Russland starben“ sowie „Hier ruhen ungarische Kriegsgefangene, Opfer des Zweiten Weltkriegs“. Nach Angaben der Anwohner wurden die Denkmäler Mitte der 1990er-Jahre von einer Delegation errichtet, die das Schicksal ihrer Landsleute erkunden wollte.
Literatur und Quellen
Eichenhainlager. Memorial Deutschland
Temlag. Memorial Deutschland
Kurt Bährens, Deutsche in Straflagern und Gefängnissen der Sowjetunion, Band V/1, München 1965
Irina Galkowa, Juri Dmitrijews Dubrawlag, 07.04.2023
Walery Jurtschenkow/Roman Jurtschenkow, Dubrawlag: Funktionsweise des GULAG-Systems in Mordowien in den Nachkriegsjahren (1945–1953), in: Zeitschrift des Nationalen Instituts für humanitäre Wissenschaften bei der Regierung der Republik Mordowien (2011), № 2 (18), S. 50–75 (Russisch)
Aino Kuusinen, Der Gott stürzt seine Engel, Wien 1972
Alexander Luschin, Einige Besonderheiten bei der Entstehung des GULAG-Systems (am Beispiel der Institution ZhH-385), in: Unternehmensberatung (2013), №12, S. 121–126 (Russisch)