*6.9.1908 (Leipzig) | † 12.6.1952 (Moskau (Gefängnis Butyrskaja))
Gerhard Dietze
Wegen Flugblattverteilung und angeblicher Spionage in Moskau erschossen
Da die politische Entwicklung (…) in manchen Punkten unserer Auffassung nicht entsprach, einigten wir uns, mit der sogenannten Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit in Westberlin in Verbindung zu treten.
Dresden, den 15. Februar 1952
An das
Präsidium des Obersten Sowjets
der Sowjetunion
Moskau
Gnadengesuch
Am 14. Februar 1952 wurde ich
Adolf Gerhard Dietze, geb. 6. Sept. 1908
deutscher Staatsangehöriger, verheiratet
vom sowjetischen Militärgericht in Dresden durch Urteilsspruch zum Tode verurteilt.
Der mir im Urteil zur Last gelegten Verbrechen habe ich mich für schuldig bekannt und ich sehe ein, dass nach sowjetischen Gesetzen das Strafmaß zu Recht festgelegt worden ist.
Unter Berücksichtigung nachstehender Ausführungen bitte ich das Präsidium des Obersten Sowjets der Sowjetunion, die gegen mich verkündete Todesstrafe auf dem Gnadenwege zu erlassen und mir eine Freiheitstrafe zuzubilligen.
Seit Mitte August 1946 arbeitete ich bis zu meiner Verhaftung in der Brikettfabrik im Kombinat Böhlen bei Leipzig als Bergarbeiter und wurde für meine Tätigkeit wiederholt als Bestarbeiter ausgezeichnet. Dort lernte ich im Jahr 1949 den Mitangeklagten Werner Haßloch kennen. Im Laufe der kollegialen Zusammenarbeit mit Haßloch kam es des Öfteren zwischen uns zu politischen Diskussionen über zeitbedingte Zustände. Da die politische Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik in manchen Punkten unserer Auffassung nicht entsprach, einigten wir uns, mit der sogenannten Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit in Westberlin in Verbindung zu treten. Von dem Bestehen der genannten Organisation hatten wir durch den Radiosender RIAS Kenntnis erhalten.
Im Januar 1951 setzte Haßloch diesen Entschluss in die Tat um und er fuhr zu dieser Kampfgruppe nach Westberlin. Dortselbst hat er mit einem gewissen Fred Walther gesprochen, und dieser Walther verstand es, den Haßloch zur Mitarbeit heranzuziehen. Wie mir Haßloch nach seiner Rückkehr aus West-Berlin mitteilte, hat er die Mitarbeit nur unter der Bedingung zugesichert, wenn es sich um eine rein deutsche Angelegenheit handelt und die westlichen Besatzungsmächte nicht mit im Spiel stehen. Mit dieser unserer Forderung war Walther auch einverstanden. Ich selbst bin dann im Übereinkommen mit Haßloch im Februar 1951 zu diesem Walther nach West-Berlin gefahren und habe mich dort persönlich vorgestellt. Walther überzeugte mich von einer Mitarbeit und ich gab meine Einwilligung. Im Zuge meiner Mitarbeit, das heißt von Februar 1951 bis zu meiner Verhaftung im September 1951, habe ich für die sogenannte Kampfgruppe einige Aufträge angenommen und ausgeführt. Es handelt sich dabei um Verteilung von Flugblättern, um die Erkundigung über eine Kaserne bei Leipzig, welche mit sowjetischen Truppen belegt ist sowie um die Mitteilung über eine Übung einer Leipziger Volkspolizeieinheit. Außerdem habe ich ein von Haßloch verfasstes Flugblatt für richtig befunden und im Auftrage desselben an den Buchdrucker Bennewitz zur Vervielfältigung weitergegeben. Von den fünf Mal erhaltenen Flugblättern gab ich zweimal an Rudolf Zwicker ab, einmal verteilte ich 15 Stück selbst und zweimal habe ich dieselben verbrannt.
Bei der Meldung über die Kaserne bei Leipzig und die Übung der Volkspolizei handelte es sich um kein Geheimnis, sondern es war eine Feststellung, die täglich von unzähligen Passanten gemacht werden konnte.
Infolge meiner Unkenntnis über Spionageangelegenheiten, ich bin nicht Soldat gewesen, ist mir überhaupt nicht zum Bewusstsein gekommen, dass ich von Walther für eine Spionagearbeit missbraucht worden bin.
Auch bitte ich das Präsidium des Obersten Sowjets der Sowjetunion zu berücksichtigen, dass ich verheiratet bin und zwei unversorgte Kinder habe, welche unter diesem Urteilsspruch wohl am meisten zu leiden hätten.
Die von mir begangene Tat bereue ich und ich verspreche, in Zukunft so zu handeln, dass es der menschlichen Gesellschaftsordnung von Nutzen sein wird.
Adolf Gerhard Dietze
Weitere Gnadengesuche
Heinz Albert
Zu 25 Jahren Haft in Workuta begnadigt
Herbert Belter
Studentischer Widerstand an der Universität Leipzig
Gerhard Dietze
Wegen Flugblattverteilung und angeblicher Spionage in Moskau erschossen
Karl-Heinz Döring
Für die Weitergabe öffentlicher Informationen zum Tode verurteilt
Kurt Frank
Vorwurf: Industriespionage im Vogtland
Lothar Göhring
Leiter einer KgU-Widerstandsgruppe im Vogtland
Inge Müller
Nach Umwandlung der Freiheitsstrafe in ein Todesurteil in Moskau erschossen
Werner Rahm
Als Kopf einer KgU-Widerstandsgruppe im Vogtland zum Tode verurteilt
Joachim Schenk
Antikommunistische Propaganda und Sabotage für die KgU
Werner Schneider
Als liberaldemokratischer Unternehmer und Student verfolgt
Albert Stegerer
Zwischen Dachau und Butyrka
Franz Weiß
Als angeblicher Leiter mehrerer sächsischer Untergrundgruppen zum Tode verurteilt