„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

An den Vorsitzenden des Obersten Sowjet 
der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken!
 
Betr: Gnadengesuch
 
Sehr verehrter Herr Vorsitzender des Obersten Sowjet! 
 
   Ich, Herbert Walter Belter, geboren am 21. Dezember 1929, wurde am 20. Januar 1951 von dem sowjetischen Militärtribunal in Dresden zum Tode durch Erschießen verurteilt. Das Urteil wurde gefällt aufgrund der Paragraphen 58/6, erster Teil, 58/10, zweiter Teil und 58/11 des sowjetischen Strafgesetzbuches. 
   Es wurde mir das Recht zugestanden, ein Gnadengesuch an den Obersten Sowjet zu richten. Hiervon mache ich jetzt Gebrauch. 
   Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen mein Vergehen noch einmal in kurzer Form aufzeige: 
   Aus dem amerikanischen Sektor von Berlin habe ich im Juni und Oktober des Jahres 1950 je ein Paket illegaler Flugschriften und Journale erhalten. Diese gab ich an einige Kameraden unter der Studentenschaft der Universität Leipzig, die sie an andere Studenten weitergaben. Es befanden sich unter den Flugschriften und Journalen einige, die antisowjetischen Charakters waren. 
   Mein zweites Vergehen besteht darin, dass ich drei Sendungen über die westliche Radiostation RIAS habe laufen lassen, die die Universität und das Leben an der Universität betreffen. Diese drei Sendungen waren mir auf mein Bitten hin von drei Studenten angefertigt und übergeben worden. Der Inhalt dieser Sendungen betraf nur einige öffentliche Angelegenheiten der Studentenschaft der Leipziger Universität und enthielt keine einzige Angabe, die geheim war. Im Gegenteil, von den Angelegenheiten war die Öffentlichkeit durch die Presse zum Teil informiert. Diese Sendungen liefen zwei Tage später unter dem Motto „Funkuniversität des Sender RIAS“. Den Inhalt bitte ich aus meinen Protokollen zu ersehen.
   Dieses sind in kurzen Aufzeichnungen meine Vergehen. Für diese Vergehen wurde ich zum Tode durch Erschießen verurteilt. 
   
   Ich bitte Sie, Herr Vorsitzender, dieses für meine armen Eltern und mich sehr harte Urteil durch eine Begnadigung zu mildern.
   
   Ich bitte Sie zu bedenken, dass ich erst einundzwanzig Jahre alt bin und mir überhaupt nicht über die Größe und Tragweite meiner Verbrechen im Klaren war; ich hatte nicht die Absicht gegen die Sowjetunion zu agitieren. Wenn das nun doch geschehen ist, so tat ich es unbewusst. Ich habe die Sowjetunion auch nicht durch Spionage geschädigt, denn es liegt mir vollkommen fern, gegen die UdSSR Spionage zu treiben. Ich wollte nur einige Zustände an der Leipziger Universität bekämpfen. 
   Ich bitte Sie, Herr Vorsitzender, durch harte und schwere Arbeit unter Aufsicht mir die Möglichkeit zu geben, mein Vergehen zu sühnen.
   
   Meinen armen Eltern, die bittere Tränen um mich weinen, bitte ich Sie, Herr Vorsitzender, mein Leben zu erhalten.
   
   Ich habe meine Verfehlungen erkannt und bitte Sie, Herr Vorsitzender, mir das Leben zu erhalten, denn ich bin das einzige Kind meiner armen Eltern, die ich durch meine Dummheit unglücklich gemacht habe.
   
   Ich bin noch jung, Herr Vorsitzender, und habe doch nur ein Leben zu verlieren, das Wertvollste, was der Mensch hat. 
   Sie, Herr Vorsitzender, sind der Einzige, der mein Leben noch retten kann. 
   Ich vertraue Ihrer Weisheit und Güte bei der Beurteilung meines Falles. 
   
   Dresden, am 21. Januar 1951 
 Herbert Belter
 

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