„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

An das Präsidium des Obersten Rates
 der UdSSR in Moskau
 
 
Inge Müller, geb. Heine, zum Tode verurteilt, bittet um ein 
Gnadengesuch.
Lebenslauf: Ich, Inge Müller, geb. Heine, geboren am 3. Juli 1926 in Leipzig, verbrachte meine Jugendjahre vom 1. bis zum 20. Lebensjahr bei meinen Eltern, des Schlosserhandwerkers Otto Heine und dessen Ehefrau Erna geborene Stache. Ich selbst erlernte den Beruf einer zahnärztlichen Assistentin. Mit meinem 20. Lebensjahr heiratete ich den Steuerinspektor Carl Egon Müller aus Grimma, Sachsen, wo ich selbst mit nach dort zog und selbst einen eigenen Haushalt führte. Im August 1947 gebar ich unser Töchterchen Angelika. Um einer Verpflichtung nach Aue (Bergbau) zu entgehen, ging mein Mann im Sommer 1948 nach Westdeutschland, Lindau/Bodensee, französische Besatzungszone. Mir selbst und dem Kind blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen, da mir die Wohnung und Lebensmittelkarten entzogen wurden. Ich auf die Dauer nicht bei meinen Eltern in Leipzig polizeilich unangemeldet mit meinem Kind sein konnte, selbst aber keinen Zuzug für die Stadt erhielt. Im Dezember 1948 fuhr ich nach Lindau/Bodensee zu meinem Mann. Er hatte bis dahin noch immer keine Arbeit und Aufenthaltsgenehmigung erhalten, dies wurde immer von Seiten der französischen Besatzungsmacht abgelehnt. Vergebliche Mühe auf Behörden nach Arbeit war zwecklos. Bis ein französischer Offizier, bei einer nochmaligen Vorsprache, meinem Mann den Vorschlag machte, für die Besatzungsmacht zu arbeiten, indem er in die sowjetische Besatzungszone fuhr und Agentendienste leisten sollte. Nur so könnten sie für uns etwas tun. Da alle Versuche misslungen waren und wir doch unbedingt Wohnraum und Arbeit brauchten, um leben zu können, denn mein Mann war derzeit schon an Lungentuberkulose erkrankt. So willigte mein Mann ein, einen anderen Weg gab es nicht. Er fuhr zwei- und ich viermal nach der sowjetischen Besatzungszone. Wo ich selbst zwei Agenten, einige Autonummern, sowjetische Dienststellen aufschrieb. Bei meiner Jugend, Unkenntnis und Unerfahrenheit, war ich mir nicht bewusst, was ich tat. Denn ich war weder in einer Partei noch sonst in einer Organisation, so dass ich nicht aus irgendeinem Hass heraus dies getan habe, nur einzig und allein aus tiefster Not heraus. Durch große Bemühungen erhielt mein Mann einige Monate in Konstanz, französische Besatzungszone, als Handelsvertreter bei einer Firma Arbeit. Sodass auch ich im April 1949 das letzte Mal die sowjetische Zone besuchte. Wir selbst verließen kurz darauf die Stadt Lindau und sind seit dem Monat April 1949 nicht mehr mit dem französischen Offizier zusammengekommen. Wir selbst dachten auch nicht mehr daran, denn der Gesundheitszustand meines Mannes löste große Sorgen aus. Worauf er auch im Monat März 1950 an Lungentuberkulose verstarb. Durch die furchtbaren Schicksalsschläge, die ich in meiner Jugend erlitten habe, bitte ich reuevoll aus tiefstem Herzen um einen Gnadenerlass. Denn ich war mir meiner Vergehen gegen die sowjetische Besatzungsmacht nicht bewusst, denn ich selbst kehrte mit meinem Kind im Mai 1950 für immer zu meinen Eltern zurück. Wo ich danach auch einige Tage später verhaftet wurde. Ich persönlich erkrankte in dem Strafgefangenenlager Waldheim an Tuberkulose, wo ich seit einigen Monaten wieder ausgeheilt wurde. So bitte ich nochmals den Obersten Rat der UdSSR um Gnade, haben Sie Erbarmen und Mitleid, ich flehe Sie an, ich bin Mutter, was soll mein Kind später ohne Mutter in der Welt. Ich empfinde tiefe Reue für das, was ich getan habe. Berücksichtigen Sie bitte meine Unerfahrenheit, meine Jugend und die tiefe große Not. Die furchtbaren Schicksalsschläge, der Verlust meines Mannes, ist doch schon ein Teil der Strafe. Ich flehe Sie an, haben Sie Erbarmen, lassen Sie bitte Gnade walten, nehmen Sie von mir das Todesurteil.
 
Inge Müller, geb. Heine
geb. 3.7.26
 

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