*4.8.1906 (Netzschkau) | † 30.4.1952 (Moskau (Gefängnis Butyrskaja))
Kurt Frank
Vorwurf: Industriespionage im Vogtland
… kann ich nicht glauben, dass ich mich eines Verbrechens gegen die Erhaltung des Friedens schuldig gemacht habe.
Kurt Frank
Dresden, d. 18.1.1952
An das Präsidium
des Obersten Sowjets
der Sowjetunion
Moskau
Gnadengesuch
Mir, Kurt Karl Frank, geboren am 4.8.1906 in Netzschkau, Kreis Plauen, wohnhaft in Berlin, Baumschulenweg (Demokratischer Sektor), wurde heute in einer Verhandlung meiner Strafsache vor dem hiesigen sowjetischen Militärtribunal, von diesem das Urteil bekannt gegeben, welches lautet:
Tod durch Erschießen.
Ich überreiche aus diesem Grunde und in dieser Form dieses Gnadengesuch an das Präsidium des Obersten Sowjets der Sowjetunion mit der Bitte, dieses für mich ungeheuer schwere Urteil in eine Freiheitsstrafe von begrenzter Dauer auf dem Gnadenwege umzuwandeln.
Wie aus meinen Untersuchungs- und Gerichtsakten hervorgeht, habe ich mich nach dem russischen Strafgesetz der Spionage schuldig gemacht, indem ich Nachrichten über verschiedene Industriebetriebe in Reichenbach und Umgebung sammelte und an den in Berlin ansässigen Fritz Lange gab. Lange sagte mir bei meiner Werbung und auch bei später von mir gestellten diesbezüglichen Fragen, dass er die von mir erbetenen Informationen nicht im Auftrage einer ausländischen Spionageorganisation sammle, sondern für die westdeutsche Christlich-Demokratische-Union (CDU) für wirtschaftliche Planungen eine Zusammenstellung über Industriebetriebe der DDR ausarbeite. Ich habe dieser Erklärung Langes geglaubt und da ich mich in den Jahren 1949 und 1950 in finanzieller Notlage befand, habe ich der Versuchung, die in dem Angebot Langes steckte, leider nicht widerstehen können und ließ mich zu meinem Bedauern hinreißen, Lange die Übermittlung von Nachrichten der bezeichneten Art zuzusagen. Ich möchte hier nochmals, wie schon vor dem Tribunal in mündlicher Form von mir zum Ausdruck gebracht wurde, eidesstattlich erklären, dass ich es ausdrücklich ablehnte, Nachrichten zu übermitteln, die militärischen Charakter besitzen oder in irgendeiner Beziehung zur Sowjetarmee oder zu dem Bestand der Sowjetunion stehen, beziehungsweise im Sinne einer Gefährdung derselben ausgewertet werden könnten.
Demzufolge habe ich mich bewusst darauf beschränkt, lediglich Angaben über ausgesprochene Betriebe der Friedenswirtschaft zu übermitteln und auch nur solche Daten mitzuteilen, die in den jeweiligen Städten, in denen sich diese Betriebe befinden, in der breitesten Öffentlichkeit ohnehin bekannt waren. Mir ist niemals zum Bewusstsein gekommen, dass meine Angaben über die Lage des Betriebes, ungefähre Belegschaftsstärke und Art der Erzeugnisse sowie, wie im Falle „Fichtel & Sachs“, etwaiger Umfang der monatlichen Produktion, als ein derart schwerwiegendes Verbrechen gewertet werden könnte und den Bestand der Sowjetunion gefährdet.
Wenn in der Urteilsbegründung 20 Betriebe aufgeführt sind, über die Daten der vorstehend genannten Art bekannt gegeben wurden, so bitte ich darauf hinweisen zu dürfen, dass es sich dabei in der Hauptsache um Kleinbetriebe mit weniger als 150 Arbeitern handelt. Selbst bei den Angaben über die Erzwäscherei der Wismut AG in Lengenfeld handelt es sich nach meiner Auffassung keinesfalls um Daten, deren Geheimhaltung angeordnet war oder aus denen auf den Umfang der Produktion oder deren weitere Verwendung Schlüsse gezogen werden konnten. Mit Rücksicht darauf, dass die Betriebe, über die ich in der aktenkundig niedergelegten Form, unter Hinzuziehung meiner beiden Bekannten Werner und Schneider, dem Lange berichtet habe, ausgesprochene Friedensware herstellen, kann ich nicht glauben, dass ich mich eines Verbrechens gegen die Erhaltung des Friedens schuldig gemacht habe.
Ich bitte das Präsidium des Obersten Sowjets der Sowjetunion die Erklärung abgeben zu dürfen, dass ich niemals gegen die Sowjetunion gearbeitet, noch versucht habe, der Sowjetunion Schaden zuzufügen. Ich habe mich seit dem Jahre 1945 in meiner beruflichen Arbeit und gerade während meiner Tätigkeit bei „Fichtel & Sachs“ in rückhaltloser Weise für den beschleunigten Wiederaufbau der Industrie eingesetzt. Aus diesem Grunde habe ich auch im Juni 1951, nachdem Lange von mir Informationen über weitere Wismut Betriebe sowie über Eisenbahnverhältnisse forderte, die Beziehungen zu ihm aus eigenem Entschluss abgebrochen. Ich bitte das Präsidium des Obersten Sowjets der Sowjetunion nochmals inständigst, das heute hier gegen mich gefällte Todesurteil auf dem Gnadenwege in eine mildere Strafe umzuwandeln und mir damit Gelegenheit zu geben, wieder ein nützliches Glied der menschlichen Gesellschaft zu werden.
Ich erkläre hiermit in aller Form, dass ich meine Verfehlung auf das Tiefste bereue und mein weiteres Schicksal vertrauensvoll in die Hände des Präsidiums des Obersten Sowjets der Sowjetunion lege, das ich bitte, mein Leben meiner Familie und meiner alten Mutter, deren einziges Kind ich bin, zu erhalten.
Mit der Bitte um Gnade
Kurt Frank
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