Sachsenhausen - Speziallager
Mit insgesamt rund 60 000 Häftlingen war das Speziallager Nr. 7 (seit 1948 Nr.1) das weitaus größte der zehn Speziallager in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ). Es befand sich zunächst von Mai bis August 1945 in Weesow, 15 km nordöstlich von Berlin. Im August 1945 fand der Umzug in das ehemalige nationalsozialistische Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg statt. Nach Gründung der DDR wurde das Lager im Februar 1950 aufgelöst. Das Lager wurde auch als „Schweigelager“ bezeichnet. Die Angehörigen der Verhafteten wurden nicht informiert und auch Briefe aus dem Lager nach draußen waren erst ab 1949 erlaubt.
Vorgeschichte
Das Lager Sachsenhausen wurde 1936 während der nationalsozialistischen Diktatur durch Häftlinge aus den Emslandlagern als Konzentrationslager errichtet. Bis 1945 waren mehr als 200 000 Menschen in dem KZ inhaftiert. Viele von ihnen starben durch Zwangsarbeit, aber auch durch gezielte Tötungsaktionen, wie durch eigens dafür gebaute „Genickschussanlagen“. Direkt nach der Befreiung 1945 wurde das ehemalige KZ als Teil des Filtrationslagersystems der Sowjetunion als Durchgangslager für sowjetische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene genutzt. Außerdem lebten zeitweise noch schwer kranke ehemalige KZ-Häftlinge im Lager.
Das sowjetische Speziallager Nr.7/Nr.1 von 1945 bis 1950
Das Speziallager Nr. 7 wurde zunächst auf dem Gelände mehrerer Bauernhöfe in Weesow errichtet. Im August 1945 fand der Umzug statt. Das Speziallager in Sachsenhausen war in zwei Zonen aufgeteilt. Während in Zone 1 deutsche Zivilisten, vor allem kleine und mittlere NS-Partei- und Staatsfunktionäre, ohne vorherige Verurteilung interniert waren, wurde Zone 2 zunächst für ca. 6 500 kriegsgefangene Wehrmachtsoffiziere genutzt. Nachdem diese im Herbst 1946 in sowjetische Lager deportiert worden waren, wurden in Zone 2 Verurteilte sowjetischer Militärtribunale (SMT) untergebracht. Insgesamt lebten im Lager bis zu dessen Auflösung im Februar 1950 ca. 16 000 SMT-Verurteilte. Damit bildeten sie die zweitgrößte Häftlingsgruppe nach den Internierten. Ab 1948 kamen nur verurteilte Frauen und männliche Verurteilte mit einem Strafmaß bis einschließlich 15 Jahre nach Sachsenhausen.
Dresdner SMT-Verurteilte kamen zur Strafverbüßung in das Speziallager Sachsenhausen oder wurden über das Lager in die Sowjetunion deportiert.
Die Lebensbedingungen im Lager waren sehr schlecht, die Baracken meist überbelegt. Hinzu kamen katastrophale hygienische Bedingungen und unzureichende Ernährung. Als Folge brach im gesamten Lager Tuberkulose aus, die sich trotz Gegenmaßnahmen kaum eindämmen ließ.
Insgesamt starben im Speziallager Sachsenhausen ca. 12 000 Menschen, besonders hoch war die Sterberate im sogenannten Hungerwinter 1946/47. Die SMT-Verurteilten hatten eine deutlich geringere Sterblichkeitsrate als die übrigen Häftlingsgruppen, was sich auf ihr durchschnittlich jüngeres Alter und ihre kürzere Verweildauer im Lager zurückführen ließ. Im Gegensatz zu anderen sowjetischen Speziallagern fanden im Lager Sachsenhausen keine Hinrichtungen durch Erschießen statt. Die häufigste Todesursache war Tuberkulose und viele Menschen starben an den schlechten Lebensbedingungen im Lager, bei Fluchtversuchen oder vereinzelt durch Suizid.
Die Toten wurden von einem aus Häftlingen bestehenden Beerdigungskommando namenlos in nicht gekennzeichneten Massengräbern verscharrt. Viele Tote erhielten Blechmarken mit der eingestanzten Nummer ihres Totenscheins, obwohl ein funktionierendes Krematorium vorhanden war, wurden sie nicht verbrannt.
Angehörige, wie auch deutsche Behörden, wurden von der sowjetischen Lagerleitung nicht über die Sterbefälle informiert. Auch nach der Entlassung war es ehemaligen Häftlingen untersagt, über Vorgänge im Lager zu berichten. Vereinzelt informierten die Überlebenden Angehörige ihrer Mithäftlinge heimlich und oftmals anonym über deren Tod.
Nachgeschichte
Das Lager wurde im Februar 1950 aufgelöst. Während die Internierten entlassen wurden, galt dies nur für wenige SMT-Verurteilte. Die meisten wurden der Volkspolizei der DDR zur weiteren Strafverbüßung übergeben.
Ab 1956 wurde das Gelände von der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR unter anderem für Schießübungen genutzt. Dies führte zur Verwahrlosung und Zerstörung der historischen Bausubstanz.
Im April 1961 wurde an der Stelle des ehemaligen Lagers eine Mahn- und Gedenkstätte eröffnet. Sie enthielt mehrere Ausstellungen über die NS-Zeit und das KZ Sachsenhausen, verschwieg allerdings die Existenz des sowjetischen Speziallagers.
Erst im Frühjahr 1990, im Zuge der Wiedervereinigung, konnten Mitarbeiter der Gedenkstätte unter großer Beteiligung von Zeitzeugen die Massengräber der Speziallagertoten finden.
Gedenken und Erinnern Heute
Seit 1993 ist die Gedenkstätte des Lagers Sachsenhausen Teil der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Auf dem Areal der Gedenkstätte wurde im Dezember 2001 das Museum „Sowjetisches Speziallager Nr.7/Nr. 1 in Sachsenhausen 1945-1950“ eröffnet. Die Gedenkstätte beinhaltet heute Ausstellungen zu allen Phasen des Lagers. Im Jahr 2010 erschien ein Totenbuch mit 11 890 Namen von im Speziallager Nr. 7/Nr.1 verstorbenen Personen.
Literatur
Günter Morsch/Ines Reich (Hg.), Sowjetisches Speziallager Nr. 7/Nr. 1 in Sachsenhausen (1945-1950). Katalog der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Berlin 2005.
Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (Hg.), Totenbuch sowjetisches Speziallager Nr.7/Nr.1 in Weesow und Sachsenhausen 1945-1950, 2., verbesserte Auflage, Berlin 2022.
Peter Reif-Spirek/Bodo Ritscher(Hg.), Speziallager in der SBZ. Gedenkstätten mit „doppelter Vergangenheit“, Berlin 1999.
Günter Fippel, Demokratische Gegner und Willküropfer von Besatzungsmacht und SED in Sachsenhausen (1945-1950), Leipzig 2008.
Petra Haustein, Geschichte im Dissens: Die Auseinandersetzungen um die Gedenkstätte Sachsenhausen nach dem Ende der DDR, Leipzig 2006.
Jörg Morré, Speziallager des NKWD. Sowjetische Internierungslager in Brandenburg 1945-1950, Berlin 1997.
Links
Bildnachweis
Sowjetischer Plan des Speziallagers Sachsenhausen, Peter Reif-Spirek/Bodo Ritscher (Hg.), Speziallager in der SBZ. Gedenkstätten mit "doppelter Vergangenheit", Berlin 1999, S. 304.